Ausgewählte Handschriften
Wiener Livius
Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 15
Livius, Ab urbe condita libri XLI-XLV
Italien, 5. Jh.
Die Wiener Handschrift der Österreichischen Nationalbibliothek enthält die nur hier überlieferten Livius-Bücher 41-45. In der Lorscher Bibliothek wurde sie 1527 von Simon Grynaeus entdeckt, daraufhin erschien die Erstausgabe der halben 5. Dekade des augusteischen Geschichtsschreibers 1531 in Basel mit einer Vorrede aus der Feder des Erasmus von Rotterdam.
Vergilius Palatinus
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 1631
Vergilius, Opera
Italien, 5./6. Jh.
Der „Vergilius Palatinus“ der Vatikanischen Bibliothek gehört zu den sieben (spät-)antiken Hauptzeugen des Gesamtwerks des römischen „Nationaldichters“. Vermutlich gelangte der Codex aus dem Nachlass Gerwards, des Pfalzbibliothekars Kaiser Ludwigs des Frommen, um 860 in die Lorscher Klosterbibliothek. Hier bewunderte Sebastian Münster (1488-1552), verleitet vom hohen Alter, ihn als eigenhändige Abschrift Vergils.
Lorscher Palimpsestcodex
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 24
Biblia, Libri sapientiales et didactici
Italien, 7. Jh.
Der Palimpsestcodex Pal. lat. 24 aus der Vatikanischen Bibliothek, der ursprünglich mit Texten römischer Klassiker beschrieben war und nach deren Radierung mit Schriften des Alten Testaments im 7. Jh. wiederbeschrieben wurde, enthält Überreste mehrerer Handschriften, die teilweise bis ins 4. Jh. zurückreichen. Er zählt damit zu den ältesten erhaltenen Pergamenthandschriften des Abendlandes. Außerdem sind manche der römischen Klassiker nur hier überliefert, darunter Fragmente von Livius und Seneca.
Heidelberger Gregor von Tours
Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. lat. 864
Gregorius Turonensis, Historiae ; (Ps.-)Fredegarius
Lorsch, um 800
Die Welt- oder auch Frankengeschichte Gregors von Tours († 594) bietet Einblicke in das ansonsten quellenarme 6. Jh. Vorliegendes Exemplar mit Kürzungen und bis zum Jahr 741 erweitert um Passagen aus den Chroniken des sog. Fredegar und seiner Fortsetzer bietet jedoch schon einen Einblick in die Geschichtsauffassung der Zeit Karls des Großen († 814). Entstanden um das Jahr 800, gehört der Codex zu den ältesten erhaltenen Zeugnissen aus dem Lorscher Skriptorium.
Lorscher Arzneibuch
Bamberg, Staatsbibliothek, Msc. Med. 1
Medizinisches Kompendium
Lorsch, um 800
Das „Lorscher Arzneibuch“ wurde um 800 im Kloster Lorsch geschrieben und im Juni 2013 von der UNESCO zum Weltdokumentenerbe erklärt und in das Register „Memory of the World“ aufgenommen. Es gilt als die älteste medizinische Handschrift des abendländischen Mittelalters und als „Meilenstein der Medizingeschichte“. Neben einer Sammlung von 482 Arzneimittelrezepten enthält der Codex eine anonym verfasste Einleitung (foll. 1r-5r), in welcher der Autor die Medizin als Geste der Nächstenliebe und Barmherzigkeit rechtfertigt.
Vergilius Historiographus
Paris, Bibliothèque nationale de France, Latin 7906 (Fasz. III)
Vergilius; Dares Phrygius; Liber historiae Francorum
Rheinland (Lorsch ?), um 800
Die Handschrift der Pariser Nationalbibliothek ist der älteste erhaltene Textzeuge von Vergils Epos „Aeneis“ aus ostfränkischem Gebiet. Der hier vorliegende Text endet mit Vers 734 im 5. Buch nach der Erscheinung des Anchises, der Aeneas heißt, nach Italien zu ziehen. Das Manuskript enthält außerdem den Roman des sog. Dares Phrygius zum Untergang Trojas, eine Chronik des 8. Jh. zur fränkischen Geschichte und war ursprünglich wahrscheinlich zusammengebunden mit einer Weltchronik, den sog. Chronica maiora Bedas († 735), in Paris, BNF, Lat. 5018 (Fasz. II). Die Verbindung von Poesie und Historiographie sollte vermutlich die Geschichte der Franken seit ihren mythischen Ursprüngen darstellen und zeugt so von der im Mittelalter verbreiteten Annahme ihrer trojanischen Abstammung.
Lorscher Evangeliar
Bukarest, Biblioteca Naţională a României, Ms R II 1
London, Victoria and Albert Museum, Inv.-Nr. 138-1866
Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 50
Evangeliar
Hofschule Karls d. Großen, vor 814
Das wohl bekannteste und kostbarste Werk der Sammlung ist das „Lorscher Evangeliar“. Die prachtvoll ausgestattete Evangelienhandschrift ist um 810 an der Hofschule Karls des Großen entstanden und gelangte noch im selben Jahrhundert in die Lorscher Klosterbibliothek. Der Codex wurde vermutlich im Jahre 1479 in zwei Hälften geteilt. Der erste Teil befindet sich heute in einer Filiale der Biblioteca Naţională a României in Alba Iulia. Der zweite Teil sowie eine der kostbaren Elfenbeintafeln, welche einst den Einband schmückten, werden in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt. Die Elfenbeintafel, die einst den vorderen Buchdeckel zierte, ist heute im Besitz des Victoria & Albert Museum in London.
Lorscher Bienensegen
in: Vatikan, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 220
Homiletische Sammelhandschrift
Mittel- oder oberrheinisches Gebiet (?), frühes 9. Jh.
In der Predigtsammlung wurde im 10. Jh. in althochdeutscher Sprache am unteren Rand eines Blattes (fol. 58r) in fünf Zeilen (auf dem Kopf stehend) der „Lorscher Bienensegen“ notiert. Es handelt sich um einen christlich umgeprägten Zauberspruch zur Rückholung eines Bienenschwarms und ist ein Zeugnis der ältesten Sprachstufe des Deutschen in rheinfränkischer Ausprägung.
Lorscher Rotulus
Frankfurt a.M., Universitätsbibliothek, Ms. Barth. 179
Heiligenlitanei
Lorsch, wohl nach 843 bis 876
Der „Lorscher Rotulus“ der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main umfasst eine Heiligenlitanei für den ostfränkischen König Ludwig den Deutschen, Enkel Karls des Großen. Die kunstvoll gefertigte Buchrolle ist eines der wertvollsten Erzeugnisse des Lorscher Skriptoriums und gleichzeitig der einzige nördlich der Alpen erhaltene liturgische Rotulus aus der Karolingerzeit.
Lorscher Prachtsakramentar
Augsburg, Universitätsbibliothek, Cod. I.2.4° 1
Erlangen, Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, Ms. 2000
Sacramentarium Gregorianum Hadrianum (Fragment)
Lorsch, Mitte oder 2. Hälfte 9. Jh.
Eine liturgische Prachthandschrift aus Lorsch, ein Sakramentar des 9. Jh., ist in zwei Fragmenten in Augsburg und Erlangen erhalten. Das Augsburger Doppelblatt enthält eine das Pfingstwunder thematisierende Initialzierseite zu den Gebeten des Pfingstfestes, das Erlanger Doppelblatt eine Te-Igitur-Seite mit Christus-Darstellung zum Beginn des Hochgebets der Messfeier. Die Fragmente gewinnen insbesondere an Bedeutung, da nur wenige karolingerzeitliche Prachthandschriften aus Lorsch überliefert sind.
Nazarius-Elfenbeintafel
Hannover, Museum August Kestner, Inv.-Nr. 410
Elfenbeintafel mit Darstellung des heiligen Nazarius
Trier (?) oder Lorsch (?), ca. 4. Viertel 10. Jh. (?)
Die Elfenbeintafel des August-Kestner-Museums zierte vermutlich einst den Buchdeckel einer liturgischen Prachthandschrift aus dem Lorscher Nazariuskloster. Die Tafel wurde in ottonischer Zeit, wohl Ende des 10. Jh., angefertigt und stellt den heiligen Nazarius mit Palmzweig als Märtyrer dar.
Londoner Oudalricus-Evangelistar
London, British Library, Harley 2970
Evangelistar
wohl Lorsch, 1. Hälfte oder Mitte 11. Jh.
Die liturgische Prachthandschrift mit den Evangelienlektionen des Kirchenjahres bietet vier ganzseitige mit Gold geschmückte Evangelistenbilder, zwei Initialzierseiten auf Purpurgrund und zahlreiche gold-silberne Rankeninitialen. Über eine Inskription auf Blatt 2r, die sich auch in vier weiteren Handschriften findet, ist der Codex als Stiftung eines „Oudalricus peccator“ ausgewiesen, der mit Udalrich, 1056-1075 Abt von Lorsch, identifiziert wird.