Projektziele
- Historischer Hintergrund und Projektziel
- Auswahl der Handschriften
- Digitalisierung der Handschriften
- Erschließung der Handschriften
- Projektabschluss
- Projektverantwortliche
Historischer Hintergrund und Projektziel
Die um 764 gegründete Abtei Lorsch entwickelte sich durch den Aufbau eines Skriptoriums und einer Bibliothek zu einem der bedeutendsten Wissenszentren der Karolingerzeit. Der Handschriftenbestand, der anhand erhaltener Kataloge rekonstruiert werden kann, umfasste im 9. Jh. ca. 500 Titel, eine für die damalige Zeit immens hohe Zahl.
331 der im gesamten Mittelalter in Lorsch hergestellten oder aufbewahrten Handschriften sind, teilweise fragmentarisch, erhalten und liegen heute, verteilt auf 309 Signaturen, in 73 Bibliotheken weltweit verstreut vor. Dieses kulturelle Erbe virtuell wieder zusammenzuführen und dadurch verschiedenen Forschungsinteressen zugänglich zu machen war Ziel des Projektes „Bibliotheca Laureshamensis – digital“. Erste Vorarbeiten wurden bereits im Jahr 2005 in Kooperation mit dem Lehrstuhl für mittelalterliche Kunstgeschichte (Prof. Dr. Liselotte E. Saurma) und dem Seminar für mittellateinische Philologie (Dr. Tino Licht) der Heidelberger Universität und mit der finanziellen Unterstützung der Gisela und Reinhold Häcker Stiftung geleistet.
Im Projekt wurden sämtliche Handschriften, die im Skriptorium des Klosters Lorsch hergestellt und/oder in dessen Bibliothek aufbewahrt wurden, zunächst digitalisiert und unter einer einheitlichen Oberfläche im Internet präsentiert. Zeitgleich wurden Beschreibungen der Handschriften erstellt und eine Datenbank aufgebaut, über die die Lorscher Codices, Faszikel und Fragmente unter kodikologischen und inhaltlichen Aspekten systematisch erschlossen und für weitere Forschungen bereitgestellt werden.
Auswahl der Handschriften
Basis der für die „Bibliotheca Laureshamensis – digital“ ausgewählten Handschriften waren die Forschungen des bekannten Paläographen Bernhard Bischoff († 1991), der in seinem Werk Die Abtei Lorsch im Spiegel ihrer Handschriften eine grundlegende Synthese zur Geschichte des Lorscher Skriptoriums wie dessen Bibliothek geschaffen hat. Die Studien Hartmut Hoffmanns aus den Jahren 1986, 2004 und 2012, die die Liste der bekannten erhaltenen Codices Laureshamenses vervollständigen, wurden ebenfalls herangezogen. Die Ergebnisse des älteren der drei Werke hatte auch Bischoff noch in die 1989 erschienene zweite Auflage seiner Zustammenstellung Lorscher Handschriften aufgenommen.
Alle Handschriften, deren Schrift- oder Bibliotheksheimat Bischoff und Hoffmann in Lorsch lokalisieren, wurden in die „Bibliotheca Laureshamensis – digital“ aufgenommen, seien die Lokalisierungen sicher, wahrscheinlich oder auch fraglich (mit entsprechender Kennzeichnung in den Beschreibungen). Das hatte zunächst einen rein praktischen Grund, da Angaben zu einzelnen Handschriften zumeist über zahlreiche Publikationen verschiedener Fachgebiete verstreut sind und sich nicht in einem vertretbaren Aufwand auffinden und verifizieren lassen. Außerdem kann mit gutem Recht gesagt werden, dass die Arbeiten Bischoffs und Hoffmanns den weitaus größten Teil der bekannten Lorscher Handschriften erfassen. Zudem wird durch die Auswahl auf der Grundlage der Erkenntnisse zweier anerkannter Handschriftenforscher gewährleistet, dass die virtuelle Klosterbibliothek Lorsch auf eine möglichst feste Basis gestellt wird, auch wenn die Lokalisierung von Handschriften in der Forschung zum Teil umstritten ist.
Zur Erweiterung der „Bibliotheca Laureshamensis – digital“ wurden deshalb von Bischoff und Hoffmann abgelehnte oder auch diesen unbekannte Zuweisungen von Handschriften an das Kloster Lorsch zumindest in einer Liste zusammengeführt.
Digitalisierung der Handschriften
Im Rahmen des Projektes wurden alle 73 Bibliotheken und Archive in Europa und Amerika, die in Besitz einer Lorscher Handschrift oder eines Fragmentes sind, um Kooperation gebeten. In zahlreichen Fällen haben die besitzenden Bibliotheken die Digitalisierung der kostbaren Handschriften und Fragmente in ihren eigenen Digitalisierungszentren übernommen. Die besitzenden Bibliotheken stellen für die Online-Präsentation ihre digitalen Reproduktionen der Handschriften und Fragmente in Form von JPG-Dateien zur Verfügung. Die restlichen Lorscher Handschriften wurden, soweit dies nicht von den besitzenden Bibliotheken durchgeführt werden konnte, von dem Digitalisierungszentrum der Universitätsbibliothek Heidelberg digitalisiert.
Der umfangreichste Bestand von 133 Lorscher Handschriften, die fast alle ehemals Teil der Heidelberger Bibliotheca Palatina waren, wird heute in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt. Die Universitätsbibliothek Heidelberg eröffnete in Kooperation mit der Biblioteca Apostolica Vaticana im Rahmen des Projektes im November 2010 ein Digitalisierungszentrum in deren Räumlichkeiten in Rom, um auf einem Grazer Buchtisch die Lorscher Manuskripte vor Ort zu digitalisieren. Mehr >>
Erschließung der Handschriften
Auf der Basis bereits bestehender Katalogisate und grundlegender bzw. den aktuellen Forschungsstand repräsentierender Sekundärliteratur wurden Beschreibungen zu jedem Manuskript erstellt. Sie enthalten insbesondere Angaben zur Entstehungs- und Besitzgeschichte, zum Äußeren, zur Schrift wie auch zum Inhalt der Handschriften. Die ermittelten Informationen wurden in eine Datenbank eingespeist, über die man die Lorscher Codices systematisch im Internet durchsuchen kann. Außerdem wurden sie als PDF-Dateien in die Präsentation der Handschriftendigitalisate eingebunden. Mehr >>
Projektabschluss
Dank der Unterstützung zahlreicher Projektpartner aus dem In- und Ausland wurde die Virtuelle Klosterbibliothek Lorsch im Jahr 2014 planmäßig abgeschlossen. Einige Aktualisierungen und kleinere Korrekturen konnten 2015 noch ergänzt werden.
Alle von Bernhard Bischoff und Hartmut Hoffmann mit Lorsch in Verbindung gebrachten Handschriften wurden komplett digitalisiert und wissenschaftlich erschlossen. Es handelt sich dabei um 287 (mehr oder weniger vollständig erhaltene) Handschriften, die in 208 Codices bzw. Bänden, einem Rotulus und 78 Faszikeln vorliegen, sowie 43 Fragmente und eine Elfenbeintafel von einem ehemaligen Bucheinband. 277 Handschriften gehen auf die Zuweisung Bischoffs zurück, 54 auf die Hoffmanns. Diese 331 ehemaligen Lorscher Handschriften sind heute auf ingesamt 309 Handschriftensignaturen in 73 Bibliotheken, Archiven und Museen in Europa und den USA verteilt und über die Virtuelle Bibliothek wieder vereint zugänglich. Von fast allen Handschriften konnten die Digitalisate auf Grundlage des Originals angefertigt werden, lediglich zu sechs heute verschollenen oder vernichteten Manuskripten wurden historische Reproduktionen herangezogen, zu zweien konnten keine Abbildungen ermittelt werden. Insgesamt umfasst die Virtuelle Klosterbibliothek Lorsch nahezu 75.000 Bilddateien. Die wissenschaftlichen Beschreibungen wurden zu jeder Handschriftenpräsentation einzeln als PDF-Datei bereitgestellt und als Ganzes in eine eigene Projektdatenbank überführt und für eine systematische Suche aufbereitet. Über den eigentlichen Projektrahmen hinaus wurden Handschriften, deren Zuweisung an Lorsch nicht auf Bischoff oder Hoffmann beruht, in einer separaten Liste mit Weiteren Handschriften zusammengestellt, die auch in Zukunft nach externen Meldungen fortgeführt werden soll. Auch hier konnten zu zahlreichen Handschriften Digitalisate bereitgestellt werden. Des Weiteren wurde der Buchschmuck detailliert in der Bilddatenbank heidICON erschlossen.
Somit konnte das Ziel erreicht werden, hochwertige digitale Reproduktionen sowie ausführliche Beschreibungen der mittelalterlichen Handschriften kostenfrei für Wissenschaftler und Interessierte im Internet zur Verfügung zu stellen. Die Zusammenführung der Handschriften aus Bibliothek und Skriptorium des Klosters Lorsch soll quellenbasierte Forschungen in verschiedenen Fachrichtungen und aus unterschiedlichen Perspektiven sowie die Aufarbeitung des insbesondere für die Karolingerzeit relevanten Corpus fördern und unterstützen.
Fortgesetzt wird die Bereitstellung und Erschließung historischer Quellen aus dem Kloster Lorsch in unserem Schwesterportal Archivum Laureshamense – digital, das Mitte November 2015 online gegangen ist und sich der Aufbereitung der erhaltenen urkundlichen bzw. archivalischen Überlieferung widmet.
Projektverantwortliche
- Alexandra Büttner (Projektkoordination, Digitalisierung)
- Michael Kautz (Handschriftenerschließung, Datenbankkonzeption, Texte)